“Als würde sie mich von unten mit einem Messer erstechen” Claire, 26

Mit 17 Jahren war ich wegen starken Schmerzen in der Magengegend in der Notaufnahme. Nachdem ich untersucht wurde, und man den Ursprung meiner Schmerzen nicht finden konnte, wurde ich weiter zur Gynäkologie geschickt.

Ohne weitere Umschweife sollte ich mich untenrum frei machen, um eine intravaginale Ultraschalluntersuchung durchführen zu lassen. Meine Mutter stand mir zum Glück die ganze Zeit beiseite. Die Gynäkologin führte ohne große Erklärung den Ultraschallstab ein. In dem Moment fühlte es sich für mich so an, als würde sie mich von unten mit einem Messer erstechen. Ich schrie vor Schmerzen laut auf und zuckte zurück. Meine Reaktion war so heftig, dass meine Mutter der Gynäkologin entsetzt das Gerät aus der Hand schlug. Die Reaktion der Ärztin: „Stellen sie sich doch nicht so an, Sie haben immerhin auch Sex.“

Komplett fertig und in Tränen aufgelöst, verließ ich die Praxis. Ich habe in meinem Leben noch nie zuvor solche Schmerzen verspürt.

Nachdem die damalige Untersuchung abgebrochen wurde, hat man das Ganze als eine Magenschleimhautentzündung diagnostiziert.

In meinem Kopf hatte ich immer das Bild einer verkrampften Vagina
Rückblickend glaube ich, dass mit dieser Erfahrung, die Schmerzen bei vaginaler Penetration richtig anfingen.Wenn ich danach versuchte, in die Vagina einzudringen, ob mit meinem Finge oder, einem Penis beim Sex, hat sich mein Vaginaleingang oft angefühlt wie eine Wand, sodass ein Eindringen quasi nicht möglich war. Falls es doch zur Penetration kommen sollte, fühlte es sich mit zunehmender Tiefe wie ein stechender Schmerz an. In meinem Kopf hatte ich immer das Bild einer verkrampften Vagina, die den Penis eng umschließt.

Das ist nicht gerade die beste Grundlage für körperliche Beziehungen und ein erfülltes Sexleben. Zum Glück sind alle meine bisherigen Partner immer sehr verständnisvoll gewesen. Ich achte jedes Mal darauf, das Ganze schon nach den ersten Treffen zu kommunizieren. Ich sage dann, dass ich mein sexuelles Leben etwas anders auslebe als die meisten Frauen, eben ohne vaginale Penetration. Mir ist es wichtig, das ganze nicht nur negativ zu formulieren. Durch die vermeintliche Einschränkung sind meine Partner und ich anderweitig kreativ. Ich bin offen, sexuell mehr auszuprobieren. Mein persönlicher Fokus liegt vor allem auf dem Oralverkehr. Dabei gehe ich meist erst auf den Partner ein, danach er auf mich oder auch gleichzeitig mit der Stellung 69.

Irgendwie hat mein “alternativer” Sex auch dazu geführt, dass ich so meinen Körper und andere erogene Zonen intensiver und empfindlicher wahrnehmen kann
Natürlich gibt es Momente in denen mein Partner den penetrativen Sex vermisst und ich auch. Ich träume auch hin und wieder davon, auch sehr realistisch.

Aber irgendwie hat mein “alternativer” Sex auch dazu geführt, dass ich so meinen Körper und andere erogene Zonen intensiver und empfindlicher wahrnehmen kann.

Je mehr Vertrauen ich zu meinen Partnern habe, desto besser klappte es in der Regel auch. Wenn ich mit meinem jetzigen Freund zusammen bin und mich wirklich entspannen und meinen Kopf abschalten kann, genieße ich auch den penetrativen Sex, auch wenn nach wie vor ein Engegefühl vorhanden ist.

Mein erstes Mal habe ich nämlich mit 15 vor dem Vorfall auch vollkommen schmerzfrei genießen können 
Erst letztes Jahr kam die Diagnose Endometriose und damit auch zwei Operationen, bei der zwei Herde aus meinem Vaginaeingang entfernt werden konnten. An den Stellen, an denen die Herde saßen, spüre ich keinen Schmerz mehr, was penetrativen Sex deutlich leichter macht.

Eine große Hilfe war es, als ich mir zum ersten Mal selbst eingestand, dass meine Ultraschalluntersuchung damals traumatisch war, und ich dies erstmal verarbeiten musste. Damals habe ich es eher von mir weggeschoben und wollte oder konnte nicht glauben, dass ein so kurzer Moment so weitreichende Auswirkungen haben kann. Ich hatte schon vor der Untersuchung Schwierigkeiten mit der Penetration, weshalb beispielsweise auch Tampons für mich nie zur Debatte standen.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich als kleines Kind meine Eltern mal beim Geschlechtsverkehr gehört habe und nur dachte, dass meine Mutter starke Schmerzen haben muss. Ich fing laut an zu weinen, woraufhin meine Mutter kam und fragte, was los sei. Ich sagte nur, dass ich schlecht geträumt hätte, weil ich seltsamerweise das Gefühl hatte, die Sache nicht ansprechen zu dürfen. Auch wenn ich sonst sehr offen mit meiner Mom über alles reden kann.

Dennoch hatte erst die traumatisierende  Ultraschall-Untersuchung zu diesen dauerhaft starken Schmerzen bei Penetration geführt.

Mein erstes Mal habe ich nämlich mit 15 vor dem Vorfall auch vollkommen schmerzfrei genießen können und habe es als sehr schönes Erlebnis in Erinnerung.

Ich fühlte mich zum ersten Mal verstanden und ernst genommen 
Eine Verhaltenstherapie, die ich im März dieses Jahres begonnen habe, hilft mir, mein Trauma zu verarbeiten und das Bild von meiner verkrampften engen Vagina verblassen zu lassen. Dabei werden auch Bewusstseinsübungen durchgeführt. Tatsächlich hatte ich in der Therapie aber auch das erste Mal das Gefühl, wirklich gehört zu werden. Ich fühlte mich zum ersten Mal verstanden und ernst genommen. Bis dahin hatte ich nur leere Floskeln gehört wie „Entspann dich doch einfach“, „Trink einfach ein Glas Wein“, oder „Er war halt nicht der Richtige“.

Irgendwann habe ich mich dann einfach gefragt „Muss es überhaupt immer penetrativer Sex sein?“.

Nein! Für mich gibt es so viele alternative Wege tollen Sex zu haben.

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“Ich habe aber gleich damit aufgehört, weil ich mich dafür schämte” Viktoria, 32

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