“Lieber Wandschrank als über Sex sprechen” Julia, 36

Meine Eltern haben mich mehrfach versucht aufzuklären. Mit Erschrecken erinnere ich mich daran zurück. Die Atmosphäre stets erdrückend, beklemmend und erzwungen. Ich glaube, sie sind auch selbst an ihre Grenzen gestossen. Ich glaube, wenn wir selbst nur schwer offen über das Thema Sex sprechen können, können wir es auch nicht ohne Scham für unsere Kinder tun. Es war spürbar schwierig für meine Eltern und damit auch für mich. Ich hab auch keine Ahnung mehr wie alt ich bei den ersten Versuchen war...vielleicht war es auch einfach zu früh bzw ich noch gar nicht bereit. Ich erinnere mich zumindestens nicht daran, dass ich selbst Fragen hatte oder Interesse gezeigt hätte. 

Ich hab mich bei jedem Versuch in meinen Wandschrank eingeschlossen

Alles was ich noch weiss, ist diese bedrückende Situation, wenn sie mit einem dunklen, sehr bildlichen und realistischen Buch ankamen und mit mir über „DAS“ reden wollten. Es war so eine unangenehme und schambehaftete Situation. Ich hab mich bei jedem Versuch in meinen Wandschrank eingeschlossen und gewartet bis sie das Buch wieder weggepackt haben. Irgendwann haben sie es aufgegeben. 

Mir blieb dann noch der Biologieunterricht in der Schule und die Bravo. Im Biologieunterricht lernte ich die lateinischen Namen unserer Genitalen und wie ich ein Kondom über eine Banane zu ziehen hatte. Aus der Bravo lernte ich was Petting sein sollte und dass man „peinliche“ Fragen an ein Synonym stellen konnte. Offensichtlich für alle kein Thema, was offen am Familientisch besprochen wird. 

Und ich war auf absolut NICHTS vorbereitet. 

Alles rund ums Nacktsein, Sex und Geschlechter war von da an für mich sehr schambehaftet. Einfach unangenehm. Gleichzeitig war es schon immer reizvoll. 

So habe ich für mich doch schon früh, in etwa so zwischen 9-11 Jahren, angefangen sexuelle Träume zu entwickeln oder mich selbst berühren zu wollen. Doch mit wem darüber sprechen? War das normal? Durfte das sein?

Und ich war doch auch auf absolut NICHTS vorbereitet. 

So richtig klar was zwischen Mann und Frau beim Sex lief lernte ich dann aus einem Porno meiner Eltern - „Der Postbote“ nannte ich ihn. Er muss in den 80ern oder so entstanden sein - war noch auf VHS. Den hab ich ausversehen entdeckt und völlig beschämt geschaut. Ohne einen Austausch über das Gesehene machte es mir doch mehr Angst als dass ich mich darauf freute. 

Meine Eltern sprachen tatsächlich nie wieder im Detail über das Thema Sex oder ähnliches und auch ich fand nicht mehr wirklich den Zugang mit ihnen zu dem Thema. Doch was blieb war meine Neugier.

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“Meine Definition von gutem Sex hat sich radikal geändert” Sofia, 38

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“Surferboy-Fantasien” Ria, 27