“Meine Vulva sieht nicht aus wie in Magazinen oder Pornos” Nadine, 46
Mit meinen weiblichen Genitalien habe ich mich bewusst eigentlich erst mit Mitte 30 beschäftigt. Zuvor war es einfach kein Thema. Ich hatte mit 17 Jahren eine Zyste in einer Paraurethral-Drüse, also diesen Drüsen, die in der Nähe der Harnröhrenöffnung liegen und diese Zyste wurde entfernt. Die Narbe spüre ich bis heute, aber diese kleine Operation hat nicht bewirkt, dass ich mich intensiver mit der Anatomie meiner Vulva beschäftigte. Zum 18. Geburtstag habe ich von meinen Freundinnen einen Vibrator bekommen, aber nach einigem Ausprobieren verschwand dieser für Jahre in meinem Schreibtisch.
Er verglich das Aussehen meiner Vulva mit einer Comicfigur
Ich erinnere mich gut daran, dass mir mein eigener Vulva-Geruch jahrelang unangenehm war. Ich habe mir, immer wenn ich wusste, heute könnte ich mit meinem Freund Sex haben, Parfüm auf den Venushügel gesprüht, also genau die Stelle, wo die Nase landet beim Oralsex. Bis letztendlich mein Freund sagte, dass er diesen Geruch nicht mehr aushielt.
Für das Aussehen meiner Vulva habe ich mich zwar nicht geschämt, doch mir ist der Unterschied zu Vulvas in Magazinen oder Pornos schon aufgefallen. Meine inneren Vulvalippen sind ein wenig größer als die äußeren und im Vergleich zu den abgelichteten Frauen, dachte ich mir “ah, da bin ich wohl anders als die anderen”. Was mich jedoch mehr verunsicherte, war der Kommentar eines Partners. Er verglich das Aussehen meiner Vulva mit einer Comicfigur. Er meinte es scherzhaft und vermutlich eher liebevoll neckend, aber dieser Kommentar verankerte sich so sehr in meinem Kopf, dass ich beim Sex mit dieser Person nicht mehr zum Orgasmus kam. Wieviel Einfluss diese Kommentare hatten, machte sich auch positiv bemerkbar. Als mir ein anderer Freund beim Oralsex meine Vulva als süß schmeckend bezeichnete, hat mich das bestärkt. Ich habe mich wertgeschätzt gefühlt und dies hat sich auch positiv auf mein sexuelles Erleben ausgewirkt.
Ich habe beobachtet, dass sich mein Körper verändern kann
Ich bin Wissenschaftlerin und so habe ich mich eher wissenschaftlich mit meiner Anatomie auseinandergesetzt. Ich habe mich immer gerne masturbiert und dabei erfühlt. In Verbindung mit meiner sexuellen Lust habe ich die verschiedenen Gebiete ertastet und sie mir dann im Anatomie-Atlas, im Internet oder in wissenschaftlichen Journals angeschaut und die Namen der verschiedenen Strukturen gelernt. Ich habe erst in den letzten Jahren die Namen der verschiedenen Drüsen, Ligamente, Nervenbahnen und natürlich den einzelnen Teilen der Klitoris gelernt und konnte so das Erfühlte auch der Anatomie zuordnen.
Dank des gezielten Erfühlens meiner Vulva und Vagina weiß ich jetzt, wo in mir z.B. Endometrioseverwachsungen sitzen und warum mancher Sex daher für mich früher schmerzhaft war. Ich habe beobachtet, dass sich mein Körper verändern kann, sich bestimmte Stellen meiner Vulva und Vagina von Tag zu Tag anders anfühlen können und nach Jahren neue hinzukommen. Vor allem aber habe ich viele Punkte durch das Erforschen mit Fingern und Sextoys entdeckt, die ungeahnt intensive Gefühle und Orgasmen auslösen können. Die Veränderbarkeit meines Körpers zu erkennen und damit mein sexuelles Potenzial zu erkunden, ist für mich unfassbar ermächtigend und bestärkend!
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