“Aufklärung mal anders … Die Sache mit dem Eis” Frida
Als ich das erste Mal in meinem Leben Eis bekam, war es Zitroneneis. Und zwar ein ganzer Becher voll. Mensch stellte es einfach so vor mich hin.
Ich probierte ein bisschen, es schmeckte. Es war süß, kalt und zuckrig. Ich aß weiter, obwohl ich erstmal genug Eis hatte. Ich war in dem Glauben, dass ich jetzt, wo ich das Eis angeboten bekommen hatte, es auch aufessen müsste. Aber ich stellte fest, dass ich Zitroneneis gar nicht so gerne mochte. Nach ein paar Löffeln war es mir viel zu sauer und irgendwie auch viel zu viel auf einmal. Ich aß trotzdem weiter, denn es war ja Eis und ich hatte es geschenkt bekommen. Jede*r mag Eis. Wieso schmeckte es mir also plötzlich nicht? Ich dachte, Eis müsse eben so schmecken und ich müsste mich nur an den Geschmack gewöhnen. Ich tat, als wäre es lecker und aß tapfer auf. Ich wusste nicht, dass ich sagen durfte, dass es mir nicht schmeckt, oder dass es zu viel ist. Ich wusste nicht, dass ich die Person, die mir das Eis mitgebracht hatte, damit nicht verletzen würde, sondern eher dazu brächte, mir beim nächsten Mal eine andere Sorte und eine kleinere Portion zum Probieren mitzubringen. Ich wusste ja nichtmal, dass es noch andere Sorten gibt, geschweige denn, wie viele.
Mir hatte niemand erklärt, dass alle Menschen unterschiedliche Eissorten gerne mögen, dass manche Menschen gar kein Eis mögen und dass ich alles erstmal probieren darf, wenn und wann ich möchte. Mir wurde nicht erklärt, dass ich immer nur so viel essen darf, wie ich will und den Rest wieder zurückgeben kann, auch wenn ich zuerst den ganzen Eisbecher bestellt habe. Und vor Allem wurde mir nicht erklärt, dass es okay ist, nicht zu wissen, welche Eissorte ich mag und welche nicht, aber dass das wichtigste ist, dies der Person zu erzählen, von der ich das Eis bekommen hatte. Denn die hatte mir vielleicht auch nur Zitroneneis mitgebracht, weil sie gar nicht wusste, welches Eis ich mochte und sich auch nicht traute, danach zu fragen. Als ich dann also das ganze Zitroneneis aß, erweckte ich natürlich den Eindruck, Zitroneneis zu mögen. Dabei hätte es uns viel besser getan, zusammen herauszufinden, welche Eissorte wir beide mögen, so dass ich mich bei nächsten Mal WIRKLICH über das mitgebrachte Eis hätte freuen können.
Heute weiß ich diese ganzen Dinge zwar, aber manchmal ist es trotzdem nicht leicht zu sagen, dass ich das Erdbeereis gerade überhaupt nicht lecker finde, besonders wenn es der Person, mit der ich mir das Eis teile, ziemlich gut schmeckt. Mit Erdbeereis ist das so eine Sache. Wenn es zur richtigen Zeit gegessen wird und aus echten Erdbeeren hergestellt wurde, dann ist es köstlich. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann kann mensch es auch gleich lassen. Das Problem dabei ist, dass ich vorher nie weiß, was dieses Mal auf mich zu kommt.
Heute weiß ich immer noch nicht, welches meine liebste Eissorte ist. Woher soll ich das auch wissen, wenn es immer wieder so wunderbare Sorten wie Cookies, Salz-Karamell und Ayran zu entdecken gibt, von deren Existenz ich vorher aber noch gar nichts weiß. Vielleicht merke ich, dass Vanilleeis zwar ganz gut schmeckt, aber nicht das Nonplusultra der Eissorten ist. Ich merke, dass es da noch mehr geben muss, dass ich noch viel mehr Möglichkeiten habe. Dass ich das Schokoeis eben noch nicht gefunden habe. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich aber auch nicht, wie ich es finde. Was ich allerdings weiß ist, dass ich kein Erdbeereis essen muss, nur weil alle so davon schwärmen.
In meinem Leben habe ich noch ein paar Mal Eis gegessen, das ich eigentlich gar nicht essen wollte und es trotzdem getan habe. Vielleicht, weil es dann, einmal angefangen, doch ganz gut schmeckte oder weil ich wieder das Gefühl hatte, es essen zu müssen. Ich habe noch öfter Zitroneneis angeboten bekommen, machmal sogar mehrmals, obwohl ich bereits gesagt hatte, dass ich kein Zitroneneis mag oder gerade gar kein Eis will. Und es mag sein, dass das noch öfter passieren wird. Also, dass ich noch lange Zeit brauche, um das Schokoeis zu finden und dass ich hoffentlich mein ganzes Leben brauche, um immer wieder neue Eissorten zu entdecken. Aber wenn ich eins gelernt habe, dann das: Wenn ich das nächste Mal Olive Pecorino bekomme, werfe ich es in den nächsten Mülleimer und gehe.