“Ich empfinde starkes Schamgefühl sobald es intim wird” Nora, 27

Ich war siebzehn, frisch verliebt und hatte zum ersten Mal einen Freund. Ich war mit dem Zug unterwegs, als sich etwas ereignete, was mein Männerbild drastisch beeinflusste. Ich schaute aus dem Fenster und dachtemit einem zarten Lächeln an meinen Freund, MEIN erster Freund. Ich war stolz wie Bolle und überglücklich. Damals war ER der Mann meiner Träume. Ich hätte Luftsprünge machen können und hatte bunte Schmetterlinge im Bauch. 

Als ich meinen Blick wieder dem Zugabteil zuwendeteflatterten mit einem Schlag alle Schmetterlinge in meinem Bauch davon. Mir wurde schlecht und ich war wie versteinert.  

Ich schaffte es nicht, mich irgendwie zu bewegen. 

Ich erschrak beim Aufblicken  - ein Mann onaniert direkt vor mir. Mit einem kurzen Blick in sein Gesicht, erschrak ich ein zweites Mal und schaute sofort wieder weg. Er starrte mich direkt an und stöhnte leise. 

Ich nahm mein Handy in die Hand und schaute aus dem Fenster. Die Zugfahrt ging noch etwa dreißig Minuten. Ich schaffte es nicht, mich irgendwie zu bewegen. Ich saß da und wartete bis der Zug ankam. War hier denn niemand, der es  noch sieht?dachte ich. Ich fühlte mich so hilflos, mir war kotzübel und ich wollte einfach nur weg. 

Mein Rollenbild war wie neu geboren. Wie erbärmlich sind Männer? Mit ihrem ekelhaften Schwanz und ihrer Gier nach jungem, frischem Frauenfang. Ich fühlte mich wie ein Nutzgegenstand, der nur für eins gebraucht wird: dem männlichen Geschlechts.

Plötzlich sah ich alle Männer so - meinen eigenen Vater, meinen damaligen Freund, meinen  besten Kumpel, meine Kollegen einfach alle Männer die mir begegneten, egal ob auf der Straße, beim Einkaufen, in der Schule - einfach alle.

Ich hatte von da an ein Männerbild das von Macht, Gier und Ekel überschattet war. Ich hasste mich dafür aber noch mehr hasste ich diese Männer. Ich war fest davon überzeugt, dass alle so ticken würden, dass die Frau ein Gebrauchsgegenstand ist, damit es Ihnen gut ging und  sie ein „tolles Gefühl“ durch Masturbation und Sex empfinden. 

In der Beziehung zu meinem damaligen Freund ging es einfach so weiter wie gehabt. Ich redete zwar oberflächlich mit ihm darüber aber das Thema war auch schnell abgehakt. 

Ich empfinde starkes Schamgefühl sobald es intim wird

Heute (fast 10 Jahre später) weiß ich, wie mich dieses Erlebnis in meiner Rolle als Frau und in Bezug auf jegliche intime Angelegenheit geprägt und auch beeinträchtigt hat. Ich empfinde starkes Schamgefühl sobald es intim wird, ich habe Angst etwas falsch zu machen und ich dachte ich muss „gut sein“ beim Sex, sonst bin ich nichts wert. Ich will es Männern recht machen - sonst hätten sie ja keinen Spaß. Wie mein Empfinden und meine Gefühle beim Sex sind, ignoriere ich erfolgreich. Sex ist für mich Leistung zu erbringen und  meinen Partner nicht zu enttäuschen. Ich habe Angst, dass man mich sonst nicht mehr  lieben könnte, sich von mir abwendet oder mich verurteilt. Durch meinen hohen  Selbstanspruch machte und mache ich noch alles schlimmer. Ich bekomme keinen  Orgasmus und bin total gehemmt auch irgendwelche Nähe zu genießen. Anstatt zu fühlen, denke ich ununterbrochen…

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“Mein Mann und ich führen eine offene Ehe” Mareike, 45

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