“Das Frauwerden habe ich vehement abgelehnt!” Isabelle, 40
Sex wurde mir vermittelt als etwas Geheimnisvolles zwischen zwei vertrauten Menschen
Nähe und Zärtlichkeit waren allgegenwärtig in unserer Familie. Sie fanden nicht hinter verschlossenen Türen statt. Ich habe meine Eltern sich berühren, küssen und häufig nackt gesehen, unsere Badezimmertür wurde nie verschlossen und auch meine heranwachsenden älteren Geschwister waren ebenso freizügig. Vom Sex meiner Eltern habe ich allerdings nichts mitbekommen. Sex wurde mir vermittelt als etwas Geheimnisvolles zwischen zwei vertrauten Menschen, was man nicht mit anderen besprechen muss - also eine romantische intime Kiste. Es hatte nichts von iih, iiih, pfui, pfui, aber war etwas, was nur die beteiligten was anginge.
In dieses Mysterium wurde ich nie offiziell eingeweiht. Meine Eltern haben 4 Kinder großgezogen, haben aber über ihre Rollen als Eltern nie aufgehört, ein Paar zu sein.
Wir hatten auch keine richtig coolen Namen für die Geschlechtsteile zuhause
Das, was im physischen Vorleben so ungezwungen daherkam, in konkreten Gesprächen zu benennen, war dann seltsamerweise doch mit viel Scham behaftet. Vermeintlich hätte ich mit meinen Eltern zwar „über alles reden können“, aber irgendwie hing doch eine gewisse Verklemmtheit über dem Thema. Wir hatten auch keine richtig coolen Namen für die Geschlechtsteile zuhause, was mir später mit meinen ersten Partner*innen auch komisch im Weg stand. Glied, Schlitzchen, Scheide... als ich vom Kind zum Teenager wurde, wusste ich plötzlich nicht mehr, wie sag ich denn nun dazu?
Als ich meine Periode bekam, war mein erster Gedanke: „wie werde ich schnellstmöglich ein Junge?!“
Von meiner Mutter bekam ich mal ein Aufklärungsbuch hingelegt, aus den 70er Jahren mit Schwarzweiß Bildern. Für 1992 jedenfalls nicht zeitgemäß. Und es war mir wahnsinnig peinlich.
Als ich meine Periode bekam, war mein erster Gedanke: „wie werde ich schnellstmöglich ein Junge?!“ Das Frau werden habe ich vehement abgelehnt! Ich trug meine Haare damals schon kurz und es war für mich das grösste Kompliment, für einen Jungen gehalten zu werden. Meine Mutter bemühte sich um ein Gespräch mit mir, versuchte eine Brücke zu schlagen von meiner beginnenden Fruchtbarkeit zu ihrer langsam endenden, aber ich habe das total abgeblockt. Schade eigentlich, denn später mit meiner eigenen Tochter habe ich entdeckt, wie unkompliziert und lustig Aufklärung sein kann.