“Meine Lust auf Sex hat sich mehrmals geändert in meinem Leben” Lia, 42

Mit 16 Jahren habe ich angefangen, die Pille zu nehmen, zwei Jahre später begann meine erste Beziehung. Wir waren acht Jahre zusammen und hatten beide unser erstes Mal miteinander. Ich würde meine Lust in dieser Beziehung als eher reaktiv bezeichnen. Mein Freund hat Sex meist initiiert hat. Auch wenn der Sex eigentlich schön war und ich immer zum Orgasmus kam, war ich immer sehr trocken im Bereich der Vulva und Vagina. Nach penetrativem Sex musste ich jedes Mal ins Bad, um meine brenndene Vulva mit kaltem Wasser abzubrausen. Ich hielt das damals für normal, weil ich es nicht anders kannte. Das brennende Gefühl frustrierte mich, weshalb ich manchmal lieber masturbierte als mit meinem Freund Sex zu haben. 

Rückblickend hege ich deshalb einen gewissen Groll auf die Pille oder auf die Gynäkologin, die mich zu wenig aufklärte.
Als ich für ein Jahr ins Ausland ging, setzte ich die Pille ab und spürte eine deutliche Veränderung. Ich hatte viel mehr Lust auf Sex und wurde bei Erregung auch viel feuchter als zuvor. Sicherlich kamen da mehrere Faktoren zusammen. Ich kam aus einer Langzeitbeziehung und erlebte nun viel Neues und lernte andere Männer kennen. Ich denke trotzdem, dass der hormonelle Einfluss der Pille meine Lust deutlich gehemmt hat, zum einen durch den direkten hormonellen Einfluss und zum anderen durch die Frustration über den Schmerz nach der Penetration. Rückblickend hege ich deshalb einen gewissen Groll auf die Pille oder auf die Gynäkologin, die mich zu wenig aufklärte. Ich bin mir sicher, dass mein sexuelles (Er-)Leben in meinen 20ern sehr viel intensiver gewesen wäre. Von den hormonellen Zusammenhänge lernte ich erst Jahre später.

Ich finde es sehr abtörnend, wenn eine Person nicht sportlich-schlank ist. 
Seitdem meine Lust nach sieben Jahren Pille nicht mehr von äußeren Faktoren beeinflusst wird, erkenne ich meine eigenen Faktoren deutlicher. 

Abgesehen von der typisch erhöhten Lust rund um den Eisprung, habe ich auch eine stark geprägte Vorstellung, wie mein Gegenüber auszusehen hat. Ich finde es sehr abtörnend, wenn eine Person nicht sportlich-schlank ist. Wenn ein Mann beispielsweise einen Bauchansatz hat, ist es für mich sehr schwer, Lust zu bekommen und mich auf seinen Körper einzulassen. 

Ich erkläre mir das vor allem damit, dass meine Mutter schon immer sehr abfällig über mehrgewichtige Menschen gesprochen hat. Aus heutiger Sicht würde ich es als Bodyshaming bezeichnen. Mit Kommentaren wie “Oh man, ist das eine fette Familie!” aufzuwachsen, hat mich sehr geprägt. In meiner Familie wurde viel Wert auf Leistung gelegt. Eine mehrgewichtige Person erhielt neben dem body-shaming Aspekt zusätzlich das Urteil, nicht diszipliniert genug zu sein, sich gehen zu lassen oder sogar maßlos zu sein. 

Dadurch verbindet mein Gehirn häufig einen mehrgewichtigen Körper nicht nur mit dem abtörnenden Äußeren, sondern auch mit einem schwachen Charakter.

Ich schäme mich dafür und weiß wie verletzend es für eine Person ist
Ich identifiziere mich heute mit einer feministischen Haltung und habe mich viel mit dem Thema Körperbild beschäftigt. Ich respektiere Körper aller Formen und versuche, falls mal ein Urteil aufpoppt, es zu reflektieren. Nur hat Respekt nichts mit Erotik zu tun. Wenn es um meinen Partner bzw. Sex geht und darauf, auf diese Person Lust zu haben, dann ist es für mich immer noch ein großes Lust-Hindernis, wenn ich einen Bauchansatz sehe. Ich schäme mich dafür und weiß wie verletzend es für eine Person ist, aber ich weiß nicht, wie und ob ich mein Gefühl dabei ändern kann. Mein Ex hatte im Laufe unserer Beziehung zugenommen, was sich sehr auf meine Lust auf ihn ausgewirkt hat. Oralsex ging noch, aber sobald er über mir lag, spürte ich den schweren Körper und konnte meinen Blick kaum von seinem Bauch abwenden. Ich versuche, mit meinen vielen familiären Prägungen umzugehen, sie anzunehmen, zu respektieren oder wenigstens zu reflektieren - aber das bedeutet viel Arbeit.

Wie zu Zeiten der Pille, gab es in meinem Leben noch eine längere Phase, in der ich wenig Lust auf Sex hatte. Nach der Geburt meines Sohnes habe ich ihn fast ein Jahr gestillt und hatte während der gesamten Stillzeit keine Lust auf penetrativen Sex.  Nach der Geburt war ich zunächst ein paar Wochen wund im Bereich der Vulva und Vagina. Ich merkte aber auch danach, dass ich - wie während der Pilleneinnahme - trocken und schneller wund war im Intimbereich. Ich glaube, dass ich bei penetrativem Sex durch die Trockenheit Schmerzen gehabt hätte. Andererseits vermisste ich Sex aber auch gar nicht. Beim Sex ist mir besonders die körperliche Nähe mit der anderen Person wichtig, die Berührung der Haut. Durch das Kuscheln mit meinem Kind war ich in Bezug auf Körperkontakt wunderbar erfüllt. Spannend fand ich jedoch, dass sich durch das Stillen die Empfindlichkeit meiner Brüste verändert hat. Vor der Schwangerschaft war die Berührung meiner Brüste durch einen Sex-Partner eher “nett” als erregend. Das Nuckeln meines Kindes beim Stillen löste nun aber ein deutliches Kribbeln in mir aus, das ich bis in meine Beine spürte und welches sich auch bis in meine Vulva ausbreitete. Es machte Lust, mich zu masturbieren. Nach dem Abstillen kam auch die Lust langsam wieder, wie auch die Periode und die Feuchtigkeit meiner Vulva. 

Eigentlich war ich immer zufrieden mit meiner Libido und hatte nie lustlosen Sex. Ich hatte natürlich schon oft Lust ohne dass sich daraus Sex ergab, weil ich unterwegs war, Single oder eben auf die Person keine Lust hatte, die “verfügbar” war. Wenn es mir möglich ist und ich die Energie und Ruhe habe, Solosex zu haben, dann mache ich das, aber manchmal hat man Lust auf gemeinschaftlichen Sex und es ist gerade keiner da. Ich finde es seltsam, Lust an der Häufigkeit zu messen, mit der wir Sex haben. Ich habe viel häufiger Lust als Sex.  

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