“Heute würde ich es nicht mehr machen” Silvia, 30
Als ich in die Pubertät kam, wartete ich sehnsüchtig darauf, dass meine Brüste wachsen. Irgendwie merkte ich aber im Alter von 14 Jahren, dass da etwas nicht stimmte. Meine Warzenvorhöfe waren dick und standen nach vorne. Das Brustgewebe entwickelte sich jedoch nicht so wirklich. Meine Frauenärztin erklärte mir dann, dass ich eine angeborene Fehlbildung der Brust hätte und dass diese sich nicht "normal" entwickeln würden. Ich schämte mich sehr für meine deformierten Brüste. Wollte mich vor meinem ersten Freund nicht ausziehen, fand weder passende Bikinis noch BHs.
Mit 20 Jahren entschied ich mich für eine Brust OP. Es war eine Odyssee.
Ich sendete Arztberichte und Gutachten an meine Krankenkasse. Meine Anträge wurden stets abgelehnt. Psychische Leiden zählten nicht, Schmerzen seien zu gering um einen medizinischen Eingriff zu rechtfertigen. Ich musste unzählige Male Widerspruch einlegen, zu verschiedenen Ärzten fahren, Bilder meiner Brüste an die Krankenkasse senden. Es war eine Odyssee. Dafür dass ich mich für mein Aussehen schämte, hatten nun einige fremde Menschen meinen deformierten Busen betrachtet und ihr ätzendes Urteil darüber gefällt. Meine Eltern standen zum Glück hinter mir und entschieden nach einem Jahr, dass es nun reicht. Dann gibt es eben keine Kostenübernahme. Ich stellte mich einem plastischen Chirurgen in Wiesbaden vor. Der sagte mir, dass die OP kein Problem sei. Allerdings werden 2 OPs nötig sein. In der ersten wird ein sogenannter Expander in die Brust eingesetzt. Ein mit etwas Kochsalzlösung gefülltes Implantat, welches alle 3 Wochen ambulant mit einer großen Spritze aufgefüllt wird, bis das Gewebe das nötige Volumen hat, um das eigentliche Implantat zu tragen. Die OP verlief gut. Das Aufspritzen der Implantate hat gut funktioniert. Allerdings waren das die krassesten Schmerzen meines Lebens, da die Haut regelrecht vom Brustkorb gerissen wurde. Die zweite OP erfolgte ein halbes Jahr später und verlief ebenfalls gut.
Meine Eltern haben mir nie unangenehme Fragen gestellt
Ich habe nun wunderschöne, gleichmäßige, tropfenförmige, natürliche Brüste. Niemand würde nur erahnen, dass ich einen Eingriff habe machen lassen. Meine Eltern zahlten für beide OPs ca. 14.000€. Sie haben mir nie unangenehme Fragen gestellt und auch nie verlangt, dass ich ihnen meinen Busen zeige. Ich bin sehr dankbar und froh, dass dieses Kapitel so gut ausging.
Ich bin stolz auf die mutige, junge Frau, die der Krankenkasse den Mittelfinger zeigte
Heute habe ich durch Psychopharmaka eher mit Übergewicht zu kämpfen und fühle mich deshalb häufig unwohl in meiner Haut. Mein Mann findet mich immer heiß und zeigt es mir täglich. Auch die verschiedenen Bewegungen auf den sozialen Medien zum Thema Body Positivity helfen mir dabei, mich in meiner Haut wohl zu fühlen. Ich denke nicht, dass ich heute noch einmal einen solch großen Eingriff machen lassen würde nur um mehr der Norm zu entsprechen. Ich bin aber sehr stolz auf die mutige und junge Frau, die ich damals schon war. Die, die der Krankenkasse den Mittelfinger zeigt und mit Unterstützung ihren Weg geht.