“Mein Körper wurde oft sexualisiert” Katrin, 29

Eigentlich war Körperbild das Thema, worüber ich am liebsten gar nicht nachdenken wollte. Ich hatte wenig Lust, mir einzugestehen, dass es Phasen im Leben gab, in der mein Körperbild sehr von äußerer Bewertung abhing. 

Mein Körperbild hat in der Kindheit besonders meine Mutter geprägt. Sie selbst legte sich auch sehr strikte Regeln auf, um ihren Körper “in Form” zu halten. Sie beschäftigte sich viel mit Außenwahrnehmung und achtete auf die Bewertung anderer. Das übertrug sie auch auf meine Erziehung. Ihr war es sehr wichtig, dass meine Kleidung nicht zu körperbetont war, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu verursachen. Sie wollte, dass ich dem klassischen schlanken Schönheitsideal entspreche. In der Schule habe ich oft lange Strickjacken getragen, um meine Hüften zu bedecken. Früher zu Beginn meines Studiums wollte ich nie bauchfreie Sachen anziehen, weil ich dachte, “das kann ich nicht anziehen, dafür bin ich zu dick”, “das sieht nicht gut aus”, “das sollte ich nicht tragen”. 

Ich trage selbst heute noch selten tiefe Ausschnitte, weil ich das Gefühl habe, ich sende damit eine falsche Botschaft. 

Ich wurde durch meine Figur, meine großen Brüste und Po oft als sexualisiert wahrgenommen. Das ist mir als Jugendliche und junge Erwachsene aufgefallen. Ich bekomme sehr viel sexuelle Aufmerksamkeit, oft ungewollte. Dass sich das auch positiv anfühlen kann, musste ich erst lernen. Ich habe über die Jahre Annahme erfahren, und dadurch gelernt, mich wohlzufühlen in meinem Körper, mich fallen zu lassen und insgesamt mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. 

Ich trage selbst heute noch selten tiefe Ausschnitte, weil ich das Gefühl habe, ich sende damit eine falsche Botschaft, obwohl ich es an mir attraktiv finde. Ich bekomme so einfach zu viel ungewollte männliche Aufmerksamkeit und das kann sehr unangenehm sein. Es macht sich vor allem durch Blicke bemerkbar. Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, versucht das Gegenüber mir nur in die Augen zu schauen. Irgendwann dann - als könnten sie es nicht mehr aushalten - bricht der Blickkontakt ab und sie starren direkt auf meine Brüste. Und ich habe das Gefühl, dass sich das im beruflichen Kontext nicht gehört, die Blicke auf die Art auf sich zu ziehen. Diese Blicke gab es im Gespräch mit Frauen, aber wesentlich häufiger mit Männern und letzteres war auch deutlich unangenehmer.

Er betrachtete kurz meine Brüste und meinte “ach ja, ich sehe Ihr Problem”.

Es gab ein zentrales Ereignis, das die Einstellung zu meinem Körperbild stark beeinflussen sollte. Ich wollte ganz lange eine Bruststraffung mit Eigenfett-Auffüllung machen lassen. Eine solche Operation würde eine T-förmige Narbe unterhalb der Brust bis zur Brustwarze hinterlassen. Mit 23 Jahren war ich bei einem plastischen Chirurgen, um eine solche Operation zu besprechen. Ich kam in einen kalten, sterilen Raum und wurde von einem mittelalten nicht sehr empathischen Arzt aufgefordert, mich auszuziehen. Er betrachtete kurz meine Brüste und meinte “ach ja, ich sehe Ihr Problem”. Danach hat er - wie im Film - mit einem Edding auf meinem Körper gemalt, um zentimetergenau zu zeigen, wie meine Brüste eigentlich stehen sollten. Dann zeigte er mir auf seinem Bildschirm noch Bilder von seinen ästhetischen Ansprüchen an weibliche Brüste, die ich selbst überhaupt nicht teilte! Es waren sehr runde hochstehende Brüste mit kleinen Brustwarzen. Ich selbst habe große Brustwarzen, mit denen ich zufrieden bin. Ich hatte nie erwähnt, dass ich diese verändern wollte. Mir schwebte ein “natürliches Ergebnis” vor und er schien mir ein Porno-Ergebnis verpassen zu wollen. Das war ein ziemlich schlimmes Erlebnis für mich. 

Ich weiß noch, dass ich am Abend zu meinem Ex-Freund ging. Wir waren noch in der Kennenlern-Phase und hatten erst zweimal miteinander geschlafen. Ich fragte mich auf dem Weg, wie ich mich mit diesen Brüsten jetzt vor diesem Typen ausziehen sollte? Ich hab’ das dann irgendwie über die Bühne gebracht.

Dieses Erlebnis hat mich zwar vom Chirurgen abgehalten aber nicht von der Idee. Ich fand es demotivierend aber ich wurde ja auch in meinem Glauben bestärkt, dass meine Brüste so nicht in Ordnung waren.

Erst einige Monate später hatte ich Sex mit einem Mann der davon erfahren hatte (von einer gemeinsamen Freundin) und meinte, “Hey Katrin, eigentlich sind deine Brüste doch voll schön! Ich verstehe gar nicht, dass du das machen lassen möchtest.” Erst dachte ich, “Ach krass, dann sind meine Brüste vielleicht gar kein Problem und ich muss das nicht machen lassen!“ 

Dann fragte ich mich, ob ich die Operation wirklich für mich machen wollte oder für ein vermeintliches Männerbild. Wenn mir das soviel bedeutet, was mir ein Mann bei einem One-Night-Stand sagte, war der Wunsch nach einer Bruststraffung wohl mehr von außen geprägt, als ich dachte und nicht mein eigener. Und plötzliche wollte ich mich nicht mehr operieren lassen.

Mein Körperbild hat sich dann nochmal deutlich gebessert, seit ich mich vermehrt mit Feminismus beschäftige.

Ein befreiteres Körperbild hat sich eingestellt, als ich mit der Schule fertig war und von zu Hause ausgezogen bin - also der heimatliche und mütterliche Einfluss weniger wurde. 

Mein Körperbild hat sich dann nochmal deutlich gebessert, seit ich mich vermehrt mit Feminismus beschäftige. Ich betrachte meinen Körper seitdem losgelöster von den Meinungen anderer, insbesondere vom männlichen Blick. Mittlerweile ziehe ich meist an, was mir gefällt und worin ich mich wohlfühle. Ich kann jetzt auch mal ohne BH, bauchfrei oder in kurzer Hose aus dem Haus gehen, etwas, was ich  ganz lange nicht gemacht habe, weil ich große Brüste habe. Ich hatte ohne BH lange das Gefühl, dass alle auf meine Brüste starren, dass sie viel zu weit unten saßen als das gängige Schönheitsideal und dass ich meine Brüste so nicht zeigen sollte. Mittlerweile find ich es befreiend, so aus dem Haus zu spazieren, wie ich das schön finde. Klar merke ich, wenn ich das oder jenes anziehe, schauen Menschen mich intensiver an, aber ich fühle mich nicht mehr so negativ verurteilt und stehe zu meinem Körper.

Ich bin mir relativ sicher, dass ich mich selbst mehr bewerte als mein Sex-Partner. 

Ich habe mich gestern im Spiegel betrachtet. Ich habe mir dabei überlegt, wie sich die Ernährung der letzten Wochen auf meine Figur ausgewirkt hat. Meine Periode ist gerade vorbei und habe mir angeschaut, wie sich in dieser Zyklusphase meine Brüste verändern. Ich fand meine Beine und meinen Po schön, da ich zur Zeit viel Sport treibe und dies meine Muskel definiert. 

Mein Körperbild spielt beim Sex eine große Rolle. Mir ist wichtig, was mein Sexualpartner von meinem Körper denkt. Ich bin mir relativ sicher, dass ich mich selbst mehr bewerte als mein Sex-Partner. Ich urteile mich selbst viel harscher als ich es gespiegelt bekomme. Alle Bewertungen, die ich tatsächlich erhalten habe, waren bisher positiver Art. Meist ist meine Unsicherheit meinem Körper gegenüber besonders groß in der Phase vor dem Sex, also wenn man noch angezogen ist oder sich gerade auszieht. Da habe ich noch genug mentale Kapazität, darüber nachzudenken. Während dem Sex kann ich mich dann gut fallen lassen und bin ganz im Moment. Ich bin dann so erregt, dass ich die Gedanken rund um meinen Körper ausblenden kann. Es ist sogar eher so, dass mein Partner weniger Licht wollte während des Sexes und danach als ich. Ich finde es schade, sich nicht gut zu sehen. 

Ich gebe zu, dass nicht nur mein eigener Körper sondern auch der meines Sex-Partners mir sehr wichtig ist. Ich möchte mich neben dem männlichen Körper klein und geborgen fühlen. Daher sind meine Partner meist stark, mit breitem Kreuz und groß. Mir ist es unangenehm, wenn mein Körper im Vergleich zu dem meines Sexpartners zu groß wirkt. 

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“Heute würde ich es nicht mehr machen” Silvia, 30

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“Das mit der Body-Positivity klappt noch nicht” Finja, 29