“Im fünften Monat habe ich ihn schließlich nach unserem “Status” gefragt” Ella, 27
Seit sechs Monaten treffe ich mich mit einem Mann. Anfangs hatte ich keine Erwartungen und habe nebenher auch andere Dates gehabt. Wir haben uns ein oder zwei Mal pro Woche getroffen und mit der Zeit hatte ich nicht mehr das Bedürfnis andere Leute zu treffen. Allerdings haben wir nie darüber gesprochen, welche Art von Beziehung wir führen. Er ist 33 Jahre alt und war vorher in einer 12-jährigen Beziehung. Die letzten zwei Jahre dieser Beziehung war es polyamor: er und seine Freundin hatten jeweils noch eine Parallelbeziehung.
Ich habe mich lange nicht getraut, ihn zu fragen, was er sich von der Beziehung wünscht. Ein Grund war sicher, dass er sich vielleicht Polygamie wünschte, ich aber nicht sicher war, ob ich das wollte. Als ich einmal bei ihm war, lag ganz “zufällig” das Buch „Wie wir lieben: Vom Ende der Monogamie“ auf seinem Wohnzimmertisch.
Ich gestand mir ein, dass ich verliebt war und im fünften Monat habe ich ihn schließlich nach unserem “Status” gefragt.
…perspektivisch könne er sich das aber schon vorstellen
Ich hatte den Eindruck, dass ihn das sehr unter Druck, ja regelrecht in Panik versetzt hat. Er redete fast eine dreiviertel Stunde ununterbrochen und es schien mir, dass er dabei versuchte, sich zu rechtfertigen. Er sagte mir, dass seine Parallelbeziehung aus der ehemaligen Beziehung noch laufe. Das überraschte und verunsicherte mich sehr. Er meinte, er komme gerade erst aus einer langen Beziehung und sei deshalb noch nicht für eine neue Beziehung bereit, perspektivisch könne er sich das aber schon vorstellen. Alles, was er erzählte, schien mir ziemlich konfus und verletzte mich. Ich sagte ihm, dass ich Zeit brauche, um alles in Ruhe sortieren zu können. Das schien er nicht verstehen zu wollen.
Er fragte nicht danach, was ich mir wünschte und ich sagte es ihm auch nicht
Als wir einige Tage später telefonierten, meinte er, dass wir in “dieselbe Richtung” gingen und seine Parallelbeziehung nun beendet sei. Das war allerdings nicht das erste Mal und dann kamen sie doch immer wieder zusammen. Er sagte mir auch, dass er derzeit nicht sicher sei, welche Beziehungsform er zukünftig führen möchte; eine offene oder geschlossene Beziehung oder einfach nur loses daten.
Er fragte nicht danach, was ich mir wünschte und ich sagte es ihm auch nicht. Ich habe Angst, dass er sich abwendet, wenn ich ihm sage, dass mir eine Beziehung wichtig ist, die potentiell ein Leben dauern könnte, inklusive Kindern, egal ob offen oder geschlossen, so dass wenigstens eine gemeinsame Zukunft denkbar wäre.
Während ich mir eine offene Beziehung mit ihm vorstellen könnte, wäre Polyamorie nichts für mich.
Ich gebe ihm noch Zeit, sich zu überlegen, was er will. Aber ich merke auch, dass meine Geduld langsam zur Neige geht. Ich brauche einen Rahmen, damit ich weiß, worin ich mich bewege. Von einer Beziehung erwarte ich Sicherheit und besonders wichtig ist mir eine offene Kommunikation über alle Entscheidungen, die mich und meinen Partner betreffen. Während ich mir eine offene Beziehung mit ihm vorstellen könnte, wäre Polyamorie nichts für mich. Das wäre mir, glaube ich, emotional zu anstrengend. Wir haben ja noch keine etablierte Vertrauensbasis, auf der wir eine polyamore Beziehung aufbauen könnten.
Auch wenn er mir die Parallelbeziehung verschwiegen hat, reden wir generell sehr offen über alles, was ich sehr schön finde. Unser Sexleben ist sehr gut, wir achten darauf, dass wir beide viel Spaß dabei haben. Ich fühle mich von ihm sehr wertgeschätzt und habe den Eindruck, ihm alles sagen zu können, was ich in Bezug auf unser Sexleben ansprechen möchte. Ich würde noch nicht sagen, dass ich ihn liebe, aber ich habe Lust darauf als „wir“ zu denken.