“Mein Wunsch war ja eine feste Beziehung - vielleicht mit ihm?” Leonie, 33

Er war Single und hatte keine Kinder. Ich war auch Single. Wir haben uns über Tinder getroffen und sahen uns so einmal die Woche, meist am Wochenende. Es war eine Romanze oder Dating oder wie auch immer man etwas nennt, was beginnt, eine Weile währt und wobei eine Person oder beide erkennen, dass man keine feste Beziehung mit dieser Person möchte. Diese Art der Beziehung hat mir zu diesem Zeitpunkt gefallen, hat mich inspiriert, mich neugierig gemacht, gerade weil wir uns nicht so lange und tief kannten. Sie hat mir auch ein gewisses Gefühl von Freiheit gegeben, da ich mich nicht verbindlich zeigen musste, aber es dennoch getan hab. 

Ich fühlte mich unterlegen oder fühlte mich nicht gehört

Mein Wunsch war ja eine feste Beziehung - vielleicht mit ihm? Es hatte schon einen gewissen Nervenkitzel, da nicht klar war, wo geht die Reise hin und ich so auch ein bisschen Jagdverhalten spielen konnte.  Wir haben neben Sex auch Ausflüge in die Natur zusammen gemacht und sind gerne essen gegangen. Das waren so eigentlich unsere Hauptaktivitäten. Wenn wir nicht zusammen an einem Ort waren, haben wir über WhatsApp miteinander kommuniziert. Ich habe mich nur einmal getraut, ihn mit WhatsApp anzurufen, weil ich nicht wusste, ob ihm das nicht zu viel ist. Das war gegen Ende unserer Romanze. Er hat sich über meinen Anruf tatsächlich total gewundert. Meist hat er geredet, immer recht  intellektuell. Er hat meist die Konversation geleitet, war ein schneller Denker, ich bin eher langsam und introvertiert. Ich überdenke immer erst alles, bevor ich etwas sage. Er dagegen hatte immer eine Antworten parat. Das führte dann auch manchmal dazu, dass er, glaube ich, dachte, ich sei dumm und hätte nichts zu sagen. Und ich fühlte mich unterlegen oder nicht gehört. Gleichzeitig inspirierte mich, was er zu sagen hatte, dann habe ich ihm einfach total gerne zugehört. 

Es hat mich auch mal eifersüchtig gemacht, als ich mal gesehen habe, dass er bei Tinder als “online” angezeigt wurde

Obwohl es unverbindlich war, war ich eifersüchtig, dass er mit seiner Ex-Freundin Kontakt hatte - obwohl es wohl nicht so war.  Es hat mich auch eifersüchtig gemacht, als er bei Tinder als “online” angezeigt wurde. Da hatte ich dann Angst, “Oh er meint es doch nicht ernst”. 

Einmal habe ich ihm gesagt, dass ich mir eine Beziehung wünsche und gefragt, ob er sich eine feste Beziehung vorstellen könnte. Worauf beim ersten Mal eher weniger von ihm kam: “noch nicht”, “mal abwarten”. Das hat mich schon ein bißchen frustriert, aber ich dachte da bleibe ich weiter am Ball. Und dann habe ich die Frage irgendwann nochmal gestellt und auf das “lass mal abwarten” und “bin mir noch nicht ganz sicher”, hab ich das dann auch beendet. 


Er hätte sich gerne noch in lockerer Form weiter getroffen

Wie das häufig so ist, haben wir uns nach dem Cut dann aber nochmals getroffen und wieder mit unserer Romanze begonnen - ich in der Hoffnung, dass ja dieses Mal daraus eine feste Beziehung entstehen könnte. Wir hatten nämlich nach einem halben Jahr wieder einen Match auf Tinder und haben dann wieder gedated. Bis ich meinen Wunsch nach einer festen Beziehung wieder angesprochen habe. Als von ihm dann ein klares Nein mit einer für mich sehr schmerzhaften Begründung kam, ging das Ganze dann auseinander. Ich war für seinen Geschmack zu sensibel und daher würde es für ihn nicht für eine feste Beziehung reichen. Ich fühlte mich vor den Kopf gestoßen. Einerseits war ich froh über eine ehrliche Antwort, da ich ja dann auch die Möglichkeit hatte an mir zu arbeiten - zumindest in den Punkten, die ich annehmen konnte. Aber gleichzeitig war es auch eine Kränkung durch die Art und Weise wie es formuliert wurde. Ich habe ihn später nochmals getroffen und ihm erzählt, wie sehr es mich gekränkt hatte und das tat ihm dann sehr leid. 

Er hätte sich gerne noch in lockerer Form weiter getroffen, aber für mich war das dann nicht mehr vorstellbar. Ich hatte den Mut das so deutlich zu kommunizieren und durchzuziehen. 


Diese Unsicherheit hat mich ganz stark beeinflusst. 

Das war eine sehr prägende Beziehung für mich und sie fühlt sich im Nachhinein intensiver an als die 6-9 Monate, die sie angedauert hat. Wahrscheinlich, weil sie von den Gefühlen her sehr intensiv war: einerseits Hochgefühle, wenn wir Zeit miteinander verbracht haben, wenn mein Partner sehr präsent und für mich da war. Und dann diese starken Tiefs, wenn er nicht erreichbar war, ich aber totale Cravings und das Bedürfnis nach seiner Nähe hatte. Das hat eine extreme Intensität in mir hervorgerufen. Es war zwar aufregend, aber nicht zu wissen woran ich bin, hat mir ganz viel Energie im Alltag geraubt und mich kontinuierlich beschäftigt. Dieser ständige Schmerz, der da mitgeschwungen ist. Diese Unsicherheit hat mich ganz stark beeinflusst und ich habe mit starken Verlustängsten zu kämpfen gehabt. Da ich es liebe, Dinge gemeinsam zu gestalten, sei es ein gemeinsames Zuhause, private Freizeitprojekte oder auch berufliche Projekte, hat mir in dieser Beziehungsform vieles gefehlt. 

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“Wie wollen wir unsere Beziehung gestalten?” Rieke, 28

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“Über 20 Jahren mit demselben Mann” Katja, 46