“Ich hatte das Gefühl, nicht mehr zu funktionieren“ Leonie, 28
Bereits in meiner Jugend hatte ich mit starken Menstruationsblutungen zu kämpfen, die gelegentlich sogar zu einem Krankenhausaufenthalt führten. Meine Mutter versuchte mich zu beruhigen, sagte zu mir, das sei normal und bei ihr damals ganz genauso gewesen. Im Alter von 14 Jahren ließ ich mir dann auf ihren Rat die Pille verschreiben. Obwohl ich gelegentlich immer noch starke Blutungen hatte, ging es mir danach deutlich besser.
Ich teilte meinen Verdacht mit den Ärzten und wurde in ein gynäkologisches Krankenhaus verlegt
Mit 25 beschlossen mein Partner und ich, schwanger zu werden und zum ersten Mal nach 15 Jahren setzte ich die Pille ab. Im ersten Monat hatte ich ununterbrochen Blutungen. Anfangs dachte ich mir nicht viel dabei, jedoch wurden die Blutungen und die Schmerzen innerhalb kurzer Zeit so stark, dass mir sogar schwarz vor Augen wurde und ich bewusstlos wurde. Mit solch starken Symptomen wurde ich mit Verdacht auf eine Beckenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Während die Ärzte nach drei Wochen Krankenhausaufenthalt immer noch nicht wussten, was nicht mit mir stimmte, lieferte eine Freundin von mir den entscheidenden Hinweis. Sie hatte im Fernsehen eine Reportage über Endometriose gesehen und sofort an mich denken müssen. Ich teilte meinen Verdacht mit den Ärzten und wurde in ein gynäkologisches Krankenhaus verlegt. Hier wurde ich sofort operiert. Wie man mir nach meiner Operation mitteilte, wurden unzählige Verwachsungen am Darm, den Eileitern und der Gebärmutter entfernt. Ich bekam die Diagnose Endometriose. Man klärte mich darüber auf, dass es sich dabei um eine chronische Krankheit handelt und ich vermutlich unfruchtbar sei. Mit diesem Schock musste ich erst mal ganz alleine fertig werden, denn aufgrund der strengen Corona-Besuchsregeln konnten mir weder mein Partner noch meine Familie in diesem schwierigen Moment zur Seite stehen.
Es wurde wieder operiert, doch keine weiteren Herde gefunden werden
Nachdem ich entlassen wurde, ging es mir zunehmend schlechter. Ich hatte extreme Unterleibsschmerzen. Nicht nur während meiner Periode, sondern meinen ganzen Zyklus hindurch. Als nach mehreren Monaten immer noch keine Besserung eingetreten war, besuchte ich erneut ein Endometriose Zentrum. Es wurde wieder operiert, doch zu meiner Überraschung konnten trotz meiner Beschwerden keine weiteren Herde gefunden werden. Sogar die Eileiterdurchgangsprüfung fiel positiv aus und man sagte mir, dass ich vermutlich doch Kinder bekommen könnte. Zusätzlich zur Endometriose wurde eine Adenomyose festgestellt, Gewebswucherungen innerhalb der Gebärmutter. Die Ärztin erklärte mir, dass diese Erkrankung für meine Schmerzen verantwortlich sein könnte.
Ich hatte so starke Schmerzen während der Penetration
Die folgenden Monate versuchte ich, mit Ibuprofen zu überstehen. Meine Schmerzen blieben jedoch so lähmend, dass ich immer noch nicht wieder arbeiten konnte. Auch meine Beziehung litt darunter. Bevor ich die Pille abgesetzt hatte, hatten mein Partner und ich ein sehr erfülltes Sexleben. Als die Schmerzen mit dem Absetzen der Pille begonnen hatten, hatten wir immer seltener Sex bis wir irgendwann fast gar nicht mehr miteinander schliefen. Ich hatte so starke Schmerzen während der Penetration. Manchmal weinte ich sogar währenddessen. Mein Partner reagierte zwar immer sehr verständnisvoll und optimistisch, ich machte mir aber trotzdem große Sorgen, dass er mich deswegen verlassen könnte. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr zu „funktionieren“, verlor nach der OP viel Gewicht und fühlte mich nicht mehr attraktiv. Mein Selbstwert war tief erschüttert.
Ich lernte, mit den Schmerzen umzugehen
Einige Monate nach der zweiten Operation wurde ich wegen der Schmerzen erneut ins Krankenhaus eingeliefert und notoperiert. An Blase, Eileiter, Darm, - in meinem ganzen Bauchraum - wurden Endometriose Herde gefunden und entfernt. Erst die dritte und vorerst letzte Operation hat Schmerzlinderung gebracht. Nach dem Krankenhausaufenthalt besuchte ich eine Endometriose Reha. Hier fing es endlich an, mir besser zu gehen. Ich lernte, mit den Schmerzen umzugehen, und was ich tun kann, um diese zu reduzieren. Ich habe quasi mein ganzes Leben umgekrempelt, von regelmäßiger Yoga-Praxis über entzündungshemmende Ernährung und Faszientraining.
Nach der Reha hatte ich zum ersten Mal seit langem wieder Solosex
Auch in Sachen Intimität und Sexualität ging es dann langsam wieder bergauf. Mein Partner und ich haben akzeptiert, dass die Art und Weise wie wir früher Sex hatten, heute nicht mehr funktioniert. Nach der Reha hatte ich auch zum ersten Mal seit langem wieder Solosex und konnte so für mich herausfinden, was sich gut anfühlt, welche Bewegungen und Berührungen gehen und welche eher schmerzhaft sind. Mein Partner und ich haben uns dann bewusst dafür Zeit genommen, neu zu erforschen, was uns beiden gefällt und dafür eine Date-time jeden Sonntag eingerichtet. Erst einmal zu kommunizieren und den Druck rauszunehmen, dass Penetration nicht unbedingt sein muss, war besonders hilfreich. Wir haben mit verschiedenen Toys für ihn und für mich experimentiert und Zärtlichkeiten mit dem Mund oder Händen ausgetauscht. So haben wir gelernt, uns auf eine neue Art und Weise zu lieben.
Wir benutzen Ringe aus einer Art Schaumstoff, die mein Partner über seinen Penis zieht
Was Sex bedeutet, hat sich für mich dadurch erweitert und ist jetzt nicht mehr nur auf Penetration beschränkt. Ein Tipp von meiner Frauenärztin hat für uns aber auch penetrativen Sex wieder schmerzfrei möglich gemacht. Wir benutzen Ringe aus einer Art Schaumstoff, die mein Partner über seinen Penis zieht. Dies verhindert ein zu tiefes Eindringen und damit den Schmerz beim Anstoßen an den Gebärmutterhals. Auch verschiedene Sexpositionen haben wir ausprobiert und festgestellt, dass es besonders gut geht, wenn ich oben bin oder wir beide stehen. Gleitgel ist nun sowieso immer dabei. Wir passen den Sex jetzt auch an meinen Zyklus an, da die Schmerzen, die ich bei Penetration habe, je nach Zyklustag stark variieren. Wenn ich meine Tage habe, kann ich zum Beispiel ganz ohne Probleme sogar ohne Penisringe mit meinem Partner penetrativen Sex haben. Das verbinden wir häufig mit einer gemeinsamen Dusche oder legen eben ein Handtuch unter.
Ich weiß, dass mein Partner und ich trotz Endometriose ein erfülltes Sexleben haben können
Auch wenn es immer noch Tage gibt, an denen es mir schlecht geht, kann ich jetzt gut und meist sogar glücklich mit meiner Krankheit leben. Ich habe gelernt, das Positive daraus mitzunehmen und weiß, dass mein Partner und ich trotz Endometriose ein erfülltes Sexleben haben können. Die Erkrankung hat außerdem die Beziehung zwischen meinem Partner und mir stärker gemacht und mir gezeigt, wie sehr ich mich auf seine Unterstützung verlassen kann. Wir werden in ein paar Monaten heiraten.