“Wow, mittlerweile sind es 9 Jahre ohne die Pille” Yuna, 35

Ich kann sagen Selbstbefriedigung (schöner finde ich Solosex) und Sex spielen in meinem bisherigen Leben schon immer eine große Rolle und ich habe sehr oft große Lust dabei erfahren. Es gab aber einen sehr entscheidenden Wendepunkt, wann sich mein Lustempfinden im Laufe meines Lebens veränderte. Diese Veränderung kam als ich mich entschied, nach meiner langjährigen Beziehung mit 27 Jahren, die Pille abzusetzen und auf hormonelle Verhütungsmittel zu verzichten. Wow, mittlerweile sind es 9 Jahre ohne die Pille. Doch was genau machte das Absetzen der täglichen Hormondosis mit meinem Körper und vor allem meiner Lust auf (Solo-)Sex? So unfassbar viel Gutes, das sei gespoilert! Doch zurück zum Anfang. 

…wie wenig ich eigentlich über die Wirkung der Pille wusste

Aus heutiger Perspektive betrachtet, fühlte ich mich als junge Frau unter der Einnahme der Pille wie verschleiert. Ähnlich wie hinter einem Fliegengitter. Empfindungen wie Lust und Unlust waren zwar da aber nie richtig sichtbar - oder besser gesagt spürbar - für mich. Eben ähnlich wie der Blick durch ein Fliegengitter hindurch. Nie ganz klar und deutlich. Unter der unscheinbar wirkenden, täglich einzunehmenden Tablette gab es sozusagen gar keinen „richtigen“ Zyklus mehr. Damit auch keine natürliche Abfolge der unterschiedlichsten Hormone, welche die Phasen meiner Lust und Unlust hätten beeinflussen können. Das war meinem 17 jährigen Ich jedoch nicht bewusst und es verunsicherte mich im Nachhinein, wie wenig ich eigentlich über die Wirkung der Pille wusste. Damals war ich einfach beruhigt mit dieser einfachen, sicheren und schnell zugänglichen Methode, das Thema Schwangerschaft in meiner Beziehung auszuschließen. Es erklärte mir aber rückblickend, warum sich zwischen zwei Abbruchblutungen in meinem Körper immer alles gleich anfühlte. Ich meine damit nicht, dass ich emotionslos war, aber ein „Hormonbündel“, welches das (Un-)Lustempfinden meines Körpers bewusst spürte, war ich eben auch nicht. Eigentlich total traurig, dass ausgerechnet die Pille, die mir sorglosen Sex ermöglichen sollte, meine Empfindungen wie unter einem dünnen Stoff zurückhielt. 

Aber hatte ich wirklich Lust?

Auch Solosex, der in meiner damaligen Beziehung ganz selbstverständlich war, fühlte sich nicht so wie nach dem Absetzen der Antibabypille an. Wenn es dazu kam, war es vertraute Routine. Es war eher ein abgespieltes Muster um besser in den Schlaf zu finden oder Stress abzubauen. Natürlich kann Solosex das heute auch noch für mich sein aber der entscheidende Unterschied ist die Wahrnehmung der Signale, die mein Körper mir heute ungefiltert sendet. Damals nahm ich irgendwie an, es sei „normal“, dass mein Körper mir selten offenkundig kommuniziert, wann er ganz klar angetörnt ist und wann nicht. Als hätte er dazu keinen klaren Standpunkt. Eher nach dem Sprichwort: „ Naja, der Appetit kommt schon beim Essen“. Ich genoss (Solo-)Sex total und hatte mit meinem ersten Partner einen schönen und beglückenden Einstieg in sexuelle Handlungen zwischen zwei Menschen. Wir lernten einander und uns selbst mehr und mehr kennen. Sind zeitweise nicht aus dem Bett gekommen, da wir die Finger, Münder und unsere Körper nicht voneinander lassen konnten. Ich ließ mich fallen, konnte genießen und hatte wundervolle Höhepunkte und höre mich heute noch sagen: „Ja, ich habe Lust.“ Aber hatte ich wirklich Lust? Lust, so wie ich sie heute empfinde? Das Absetzen der Pille belehrte mich eines besseren. 

Abgesehen von den körperlichen Veränderungen, stellte sich auch ein Lustchaos bei mir ein

Zunächst fand erst einmal die hormonelle Achterbahnfahrt statt, die zum Haarausfall führte, die Haut schlechter machte, die Unterleibsschmerzen während der Regelblutung verstärkte und für etwas Gewichtsverlust sorgte. Abgesehen von den körperlichen Veränderungen, stellte sich auch ein Lustchaos bei mir ein. Wenn ich darüber nachdenke, wie es mir in der Übergangsphase nach dem Absetzen ging, steht Überforderung ganz oben auf der Liste. Lust und Unlust waren nicht mehr schleierhaft, irgendwie verborgen und schwammig, sondern eher glasklar geworden, fast als gäbe es nur zwei Extreme in mir. Auf der einen Seite wusste ich nicht, ob ich meinen neu wahrgenommen, recht hohen „Sexdrive“ überhaupt stillen, auf der anderen Seite, nicht wie ich meine Vagina aus ihrer depressiven Episode herauslocken konnte. Diese außergewöhnliche Situation fand ich damals echt verwirrend! Beruhigenderweise legte sich die Überforderung und es pendelten sich Hormonlage und Zyklus ein und sorgten für Erkenntnis. Erkenntnis darüber, dass ich Lust und Unlust damals anders empfand als ich es heute tue. Ein wenig so, als wurde ich jahrelang fremdbestimmt. Es sorgte aber vor allem dafür, dass ich anfing die Zeichen meines Körper wahrzunehmen und zu spüren wann ich Bock habe und wann keinen! 

Ich nehme die Orgasmen auf dem Weg zur Zyklusmitte intensiver wahr als kurz vor meinen Tagen

Seit Jahren spüre ich das Plateau meiner lustvollen Zyklusphase, weil sich in fast jedem Monat mein Mittelschmerz und anstehender Eisprung ankündigt. Ich merke, wie ich weniger Lust auf (Solo-)Sex habe, weil mein Höschen eher in der Trockenperiode ist. Ich spüre, wie in der zweiten Zykluswoche meine Vulva vor Lust pulsiert, weil sich meine Gedanken oft ununterbrochen um Sex drehen. Ich empfinde weniger Lust, weil die kleinen Pickelchen im Nacken meine Regelblutung vorhersagen. Ich bekomme Lust, weil mich der ansprechende Geruch einer Person antörnt. Ich habe keine Lust, weil die Unterleibsschmerzen mich auf die Couch zwingen. Ich spüre wie sich im Laufe des Zyklus mein Geschmack verändert, wen ich attraktiv finde. Ich nehme die Orgasmen auf dem Weg zur Zyklusmitte intensiver wahr als kurz vor meinen Tagen. Ich habe lustvolleren (Solo-)Sex, weil ich die im Körper aufsteigende Wärme, die Gänsehaut, den schneller werdenden Puls, die hörbare Atmung, die aufbauende Anspannung, meine feucht werdende Vagina und meine sensiblere Hautoberfläche als tief empfundenen Genuss wahrnehme.

…Bürde und Chance zugleich

Im Grunde genommen lässt sich also sagen, erlebe ich viel deutlicher und unmissverständlicher als unter der Antibabypille. Ich möchte die Pille nicht in Gänze verteufeln, denn sie ist Bürde und Chance zugleich. Für mich aber keine Option mehr. Längst ist mir klar geworden, dass ich nie wieder darauf verzichten möchte die Facetten innerhalb meines Zyklus ungetrübt wahrzunehmen. Ich liebe mein „neues“ Lustempfinden, da es ekstatischer, euphorischer und erfüllender ist. Zumindest in meiner heutigen Wahrnehmung. Die Achterbahnfahrt war es wert, denn was blieb, ist die Kommunikation meines Körpers mit mir selbst. Der Schleier ist gefallen und die Lust gestiegen.

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“Gefangen in einem Teufelskreis aus fehlender Kommunikation, Schmerzen und vaginaler Trockenheit” Yara, 33

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