“Erst einen Orgasmus - nicht mal sicher, ob es wirklich einer war” Thea, 27

Ich hatte Träume von meinem ersten Mal gehabt. Ich stellte es mir so vor, wie es überall beschrieben war. Idealerweise mit einem Mann, der ebenfalls sein erstes Mal hatte. Das Schlafzimmer geschmückt mit Rosenblättern, Kerzen und Himmelbett…romantische Musik  im Hintergrund und alles ganz vorsichtig und zärtlich. Doch dann kam die Realität - meine Liebesträume waren also wirklich nur Träume gewesen.

Danach hatte ich wochenlange Blasenentzündung und Schmerzen im Intimbereich

Mein erstes Mal war nach einer Faschingsparty, betrunken im Gästezimmer eines Fußballkumpels meines damaligen Freundes. Mein Freund hatte sein erstes Mal schon längst hinter sich. Es passierte einfach und da ich auch gut angetrunken war, habe ich ehrlich gesagt auch keine großen Erinnerungen  mehr daran. Ich weiß nur, dass es schrecklich unangenehm war und ich mich geekelt habe.  Als der Penis in meine Vagina eingeführt wurde, empfand ich einen so starken Schmerz dabei, dass ich fast weinen musste und dann auch noch dieses Blut. Ich  wusste ja nicht mal genau was hier eigentlich passiert war. Mir war es unangenehm,  dass Blutstreifen auf dem Bettlaken des Gästebett waren. Mein Freund fand das alles nicht schlimm. Ich hatte eher den Eindruck, dass er total beflügelt war und einfach nur stolz war, seine Freundin entjungfert zu haben. Ich dagegen hab mich einfach nur geschämt. Zugleich habe ich mich geärgert, war frustriert und sauer auf meinen Freund. Ich wollte ihm aber auch nichts vorwerfen, ich war schließlich in ihn verliebt und dass ich nun mal eine Frau war, konnte ja auch keiner ändern. Ich fühlte mich wie ein kleines Opfer das nur benutzt  wurde. 

Sex gehört zu einer Beziehung, egal wie sich das anfühlt.

Danach hatte ich wochenlange eine Blasenentzündung, Schmerzen im Intimbereich und wollte einfach nur im Bett liegen bleiben. Aber ich musste weiter in  die Schule und wollte auch keine Memme gegenüber meinem Freund sein. Ich hatte so gar keine Lust mehr auf Sex. Aber irgendwie musste ich trotzdem - meinem Freund zuliebe. Ich entwickelte so eine Art Leistungsgedanke: nur wenn ich gut beim Sex bin und mein Partner Spaß daran hat und zufrieden ist, bin ich etwas wert und werde geliebt. Und Sex gehört zu einer Beziehung, egal wie sich das anfühlt. 

Ich war froh, wenn der Sex „abgehakt“ war

Demnach entwickelte ich auch sexuelle Muster. In all meinen bisherigen Beziehungen sah ich mich als sexuelles Nutzmittel für meinen Partner. Ich empfand nie Spaß beim Sex und  weinte fast immer heimlich nach dem Sex weil ich es so schrecklich fand, keinen Spaß dabei  zu empfinden. Ich fühlte mich so, als ob ich immer auf der Strecke blieb. Wieso war das so? Ich liebe doch diesen Menschen mit dem ich Sex habe? Warum empfinde ich es nicht als etwas schönes? Ich war froh, wenn der Sex „abgehakt“ war. Ich spielte vor, dass es für mich auch schön gewesen war. Dabei war ich immer frustriert, dass ich nie einen Orgasmus  bekam und mein Partner immer. Ich dachte, irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich bin falsch. 

Ich hatte bisher nur einmal durch Selbstbefriedigung einen Orgasmus und da bin ich mir noch nicht mal sicher, ob es wirklich einer war.

Mittlerweile wird mir immer mehr bewusst, dass das alles nur Erfahrungen sind und keine Gesetze, die genau bestimmen wie etwas abzulaufen hat oder wie Männer oder Frauen sein müssen und dass diese Erfahrungen nichts mit deinem Selbstwert zu tun haben und nichts mit dir  als Mensch. 

Seit ich sechzehn bin, war ich ununterbrochen in Beziehungen oder am Daten und habe dabei mich selbst verloren. Ich stand sexuell immer unter Druck besonders gut zu sein und meinen Partnern etwas beweisen zu müssen. Oft war dann die Beziehung zu dieser Person wichtiger als meine sexuelle Befindlichkeit oder Befriedigung. Ich hatte nie Zeit herauszufinden, was ich möchte und was mir gut tut, weil ich ständig jemanden an meiner Seite hatte, den ich auch noch zufrieden stellen musste. Ich hatte bisher nur einmal durch Selbstbefriedigung einen Orgasmus und da bin ich mir noch nicht mal sicher, ob es wirklich einer war. 

Erst vor circa einem Jahr wurde mir klar, dass ich so nicht weitermachen möchte. Mir wurde  immer mehr bewusst, dass ich Zeit für mich brauche und herausfinden will, was mir auf  sexueller Ebene gut tut. Ich möchte Sex als etwas Atemberaubendes sehen und nicht nur als Nutzen für den Mann. Ich habe gemerkt, wie eingeschränkt ich sexuell mit einem Partner bin und wie ungesund das auf Dauer sein kann. Ich träume davon, mich irgendwann auch gemeinsam mit einem Partner sexuell weiterzuentwickeln aber zuerst gilt: 

Ich will frei sein, endlich einen und mehrere Orgasmen erleben, loslassen und entspannen - ganz ALLEINE  und irgendwann ohne Schamgefühle.

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