“Mit 60 Jahren ein erfüllteres Sexualleben als je zuvor” Bettina, 60

Ich wurde im September 1962 geboren. Schon als Kind entdeckte ich das “Juckeln”, also quasi eine Art Selbstbefriedigung, und das Wohlgefühl, das es in meinem Körper auslöste. Meine Mutter (1920 geboren) ist relativ entspannt damit umgegangen, außer in der Öffentlichkeit. Ich denke ihre Angst, Erwachsene könnten das missverstehen war die Ursache ihres Verbots, z.B. im Einkaufswagen mit Stange in der Mitte zu juckeln. 

Mit 18 Jahren hatte ich meinen ersten Geschlechtsverkehr nach jahrelangem Petting, mit meiner damals großen Liebe. Ich war sozusagen “überreif” und sehr neugierig darauf. Mit 26 habe ich dann meinen späteren Mann Pit kennen- und lieben gelernt. 

Oft habe ich nach dem Geschlechtsverkehr die “Sache” für mich beendet. 

Leider muss ich gestehen, dass ich die ganzen langen Jahre nie wirklich zu “meinem” Höhepunkt gekommen bin. Vielmehr habe ich es genossen, den Mann an meiner Seite zu stimulieren, zu beobachten - ja, ich denke auch in diesen Momenten zu beherrschen. Oft habe ich nach dem Geschlechtsverkehr im Bad sitzend auf der Toilette - wie in Kindertagen - die “Sache” für mich beendet. 

Pit mein Mann, Musiker und Gastronom, war bis zu seiner Krebserkrankung sehr aktiv in seinem und unserem Sexleben - er brauchte es wirklich. Nur ich hatte immer lange Phasen des Desinteresses, was immer wieder zu Spannungen führte. Ich kannte jeden seiner “Griffe” und “Stimmungen” im Vorfeld. Pit war sehr interessiert an Sextoys: Kondome und Penisringe, ja sogar eine Vakuumpumpe zählten zu seinem Besitz, während ich lieber das “große” Gefühl suchte. Wir waren 33 Jahre zusammen. Erst mit 50 Jahren durfte ich mit meinem Mann meinen ersten richtigen Orgasmus erleben. 

Leider stand auch dort mein “Kopf” zwischen mir und meinem Orgasmus

Gleich zu Beginn unserer Liebe bin ich - wie lange für mich geplant - mit einem One-Way-Ticket mit einer Freundin für einige Monate nach Spanien abgedüst. Beim Abschied weinten wir beide, aber ich musste einmal im Leben dieses “Abenteuer” leben - und es war gut! Um Pit aus meinem Kopf zu bekommen, erlebte ich dort unglaublich viele sexuelle Abenteuer. Ich erlebte zum 1. Mal einen Menschen, der mit seinen Händen unglaubliche Dinge tun konnte. Leider stand auch dort mein “Kopf” zwischen mir und meinem Orgasmus. 

Pit und ich trafen uns nach der Reise wieder und erlebten in 33 Jahren unglaublich schöne Dinge. Wir waren Vertraute. Er gab mir Sicherheit, obwohl ich selbst große Verlustängste hatte. Wir bekamen zwei wundervolle Töchter, die heute 25 und 29 Jahre alt sind. Sie sind selbstbewusst und wir sind ein unglaubliches Frauen-Team. Ich rede mit ihnen offen über meine aktuellen Wünsche und erlebte Sexualität. 

… und gab mich damit zufrieden, geliebt und begehrt zu werden. 

In 33 Ehejahren, 24/7 , war nun doch immer wieder etwas zu viel Alltag im Sexualleben. Es gab immer mehr oder weniger “aktive” Phasen. Ich bin öfter von meiner eigenen Lust aufgewacht und habe meinen Partner dann langsam stimuliert, was in seinem Falle nicht schwierig war. Die Stellungen wechselten wir gerne, wobei ich gefühlt immer die “Kontrolle” behielt. Wir haben über Sex gesprochen, aber ich dachte irgendwie “das ist halt so bei mir”, dass ich nie einen Orgasmus bekomme. Ich gab mich damit zufrieden, geliebt und begehrt zu werden. 

Pornos oder Erotikfilme habe ich nur zufällig gesehen, wenn im Nachtprogramm etwas lief und dann war ich froh alleine mit mir zu sein und befriedigte mich. Dies konnte ich noch aus Kindheitstagen allein durch Druck mit den Innenschenkeln, was einiges an Kraft erforderte - zum Glück war ich sportlich. Harte und niveaulose Pornos stoßen mich allerdings ab. 

… ich mich nach dem Tod meines Mannes “neu” definieren musste und durfte

Leider lerne ich erst jetzt so nach und nach meine Anatomie kennen. Ich musste und durfte (!) mich nach dem Tod meines Mannes “neu” definieren. Ein Dildo, den mir mein Schwager vor Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte, wurde aus der Versenkung geholt. Im Austausch mit einer Freundin habe ich mir dann im Internet ein wunderbares Druckwellen-Toy mit Dildo bestellt und benutzt. Dieses Toy hat mir gezeigt, wo wirklich der “Punkt” bei mir ist. Vor Kurzem habe ich eine Schublade meines verstorbenen Mannes entdeckt, in dem außer Briefe von mir, auch Penisringe, Masturbatoren und ein klassischer Vibrator ohne Dildo waren. Er wollte damals alles probieren, aber ich fand es nicht wirklich prickelnd. Für mich alleine habe ich nun Sextoys kennen und schätzen gelernt. 

Ich “befreie” mich mehr und mehr von meinem Kopf!

Ich hatte tatsächlich in den letzten zwei Jahren zwei verschiedene Sexualpartner, trotz Corona. Mit einem habe ich immer ein diskretes Treffen, weil wir beide das Gefühl haben, im “echten” Leben nicht zusammen zu ticken. Der andere hat mich tatsächlich im Herzen berührt. Beide gehen sehr auf mich ein, nur das “Loslassen” ist noch immer mein Thema. Ich hoffe, mein Sextoy hilft mir auch darin, mich mehr und mehr von meinem Kopf zu befreien. All das zeigt mir, dass ich auf dem besten Weg bin mit 60 Jahren ein erfüllteres Sexualleben zu erleben als zuvor. Es gibt noch viel mentales “Loslassen”, aber ich bin bereit! So viele meiner Herzensmenschen musste ich in den letzten Jahren verlieren. Ich werde nicht warten, bis eine “Diagnose” mein Leben verändert. 

Mein Körper sehnt sich nach Berührungen und dem “Verliebt-Sein”

Mein Körper sehnt sich nach Berührungen und dem “Verliebt-Sein”. Ich verliebe mich ständig neu in Menschen aller Couleur, in Pflanzen, in Gerüche. So ist mein Leben voller Energie: ich tanze nachts alleine bei Vollmond, treibe viel Sport, habe Begegnungen der besonderen Art, fühle mich wie ein Schmetterling, der sich aus einer Raupe entpuppt hat und frei und ungebremst in die Welt fliegt. 

Ein alter Freund lockt das “Kind” aus mir heraus, macht verrückte Dinge mit mir, wie z.B. bei Vollmond im Park zu tanzen. Er kommt 1x die Woche, um mich 1-2 Stunden zu massieren und wir reden über alles. Er ist wie eine enge Freundin zu mir. Wir reden auch über uns und dem Risiko, körperlich zu werden. Er hat Familie und Kinder. Unsere Freundschaft ist uns zu wichtig “dafür”. Dennoch fühlt es sich wunderbar und vertraut an, er berührt mein Innerstes!

So bewegt sich mein Leben mit verschiedenen Männern, die mir auf verschiedene Art und Weise geben, was ich brauche. Vielleicht reicht dazu ein Mann gar nicht. Vielleicht darf ich auch noch eine Erfahrung mit einer Frau machen, denn ich kann mir gut vorstellen, dass es mich bereichern wird. Es bleibt spannend und ich freue mich aufs Verliebt-Sein.

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“Wie ich in eine polyamore Beziehung gecrasht bin” Anna, 36 Jahre

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“Mein Mann und ich führen eine offene Ehe” Mareike, 45