“Ich wusste damals nicht, dass ich masturbierte” Nora, 36
Meine ersten unbewussten Begegnungen mit der Masturbation machte ich im Alter von ca. 12 Jahren. Ich entdeckte, dass es sich sehr gut anfühlte, wenn ich mit überschlagenen Beine da saß und auf rhythmische Weise die Muskeln meiner Schenkelinnenseiten anspannte. Ich fand es aufregend und angenehm, konnte jedoch nicht einordnen, was ich da tat. Ich begann, diese Art der Muskelan- und entspannung in verschiedensten Situationen zu genießen. So irritierte ich mit meinem “Ritual” meine Mathe-Nachhilfe-Lehrerin, die befürchtete, ich hätte Diabetes und diese Anspannung hätte etwas mit meinem “Zucker” zu tun.
So wurde mein “Ritual” Thema in der Familie und letztendlich als “Selbstbefriedigung” gelabelt. Ich sprach mit meiner acht Jahre älteren Schwester über meine Erfahrungen, die sich das ganze urteilsfrei anhörte, aber nicht von ihren eigenen Erfahrungen sprach. Schambehaftet wurde es dann vor allem während eines Gespräch mit meiner Mutter. Ich spürte, wie unangenehm ihr das Thema war und ich erinnere mich noch, dass sie so etwas meinte wie, “das ist nicht normal”.
Daraufhin habe ich mich erstmal weniger häufig selbst befriedigt und vor allem nicht im Beisein anderer. Ich wusste einfach nicht, ob es okay war, sich auf diese Weise schöne Gefühle zu verschaffen. Diese anfängliche Scham hielt aber nicht für immer an.
Das Schöne ist, ich brauche dafür nur die Anspannung meiner Beine
Heute masturbiere ich gerne, oft, manchmal mehrmals nacheinander und das quasi überall. Das Schöne ist, ich brauche dafür nur die Anspannung meiner Beine. Es geht im Sitzen, aber auch im Liegen. Meine Hände spielen dabei gar keine Rolle. Ich brauche weder explizite externe Reize, noch muss ich meine Augen schließen. Meine Masturbations-Technik ist daher perfekt vereinbar mit meinem aktiven Lebensstil. Ich befriedige mich tendenziell in ruhigeren Umgebungen, aber es geht auch in Bus und Bahn. Auch Edging, also das Hinauszögern des Orgamus, funktioniert für mich gut und steigert die Intensität - und kann tatsächlich sehr praktisch sein, wenn das Timing in der Öffentlichkeit mal ungünstig ist. In der Öffentlichkeit zu masturbieren hat für mich nichts besonders Erregendes. Meine Lust entsteht nicht durch die Anwesenheit anderer Menschen, sondern in mir. Sie kann auch mal in der Öffentlichkeit entstehen und da meine Technik “alltagstauglich” ist, kann ich dieser Lust jederzeit nachgeben.
Ich genieße die Intimität mit mir selbst und sehe es als eine Methode, um in mir anzukommen
Gelegentlich nutze ich die Selbstbefriedigung auch als Einschlafhilfe, Self-Care Ritual, zum Spannungsabbau oder aus Langeweile. Nur selten hole ich mir Reize von außen und schaue dabei Pornos. Darin geht es meistens um Frauen, da ich besonders die Lust von Frauen erregend finde. Meist reicht mir aber auch die volle Konzentration auf die körperliche Empfindung als solche. Ich genieße die Intimität mit mir selbst und sehe es als eine Methode, um in mir anzukommen. Das hat sogar etwas Meditatives.
Auch in meiner Beziehung spielt Selbstbefriedigung eine Rolle und wird weder als Bedrohung noch als Konkurrenz zu unserem gemeinschaftlichen Sex empfunden. Mein Partner weiß von meiner Art zu masturbieren. Für ihn ist es jedoch rätselhaft, dass ich das alleine mit meinen Beinen hinbekomme. Die Orgasmen, die ich mit meinem Freund erlebe, fühlen sich anders an als die durch Masturbation. Weniger explosiv über die Klitoris, dafür länger und ein langsameres Abklingen. Ich habe keine Präferenz, die verschiedenen Ausdrucksformen meiner Sexualität sind einfach ganz anders und lassen sich nicht vergleichen. Penetrativer Sex führt bei mir jedoch viel seltener zum Orgasmus, vermutlich, weil ich noch nie genau gesagt habe, was mich kommen lässt. Ich habe Hemmungen, ihn zu korrigieren und fürchte, dass er es als Ablehnung aufnehmen könnte. Daher finde ich mich mit einem “okay” ab hinsichtlich des penetrativen Sex, den wir haben, aber eigentlich möchte ich das gerne ansprechen und ändern.